Die Ursache der meisten Probleme in Unternehmen liegt in Führungsdefiziten begründet. Oft über Jahre gewachsen, betreffen sie nicht nur die oberste Führungsetage, sondern haben sich wie ein Pilz in der Kultur des Unternehmens und der Organisation breitflächig ausgebreitet. Deswegen ist es mit einem Wechsel in der Führung nicht immer getan. Nicht nur, dass die oder der Richtige gefunden werden muss, es bedarf auch Zeit und mühevolle Arbeit, die Kultur zu ändern. Oftmals ist das Verharrungsvermögen einer Organisation groß, denn Veränderungen sind schmerzhaft.
Krisen wie diese bergen für die Unternehmen jedoch nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Aktuell ist jedem bewusst, dass alles anders ist und werden wird. Selten dürfte ein Neuanfang noch mehr durch äußere Einflüsse begünstigt werden.
Führungsgrundsätze
In vielen Firmen werden immer wieder dieselben Fehler gemacht, weil der Führungsvorgang von dem Management (Top- und Mittelmanagement) nicht ausreichend verstanden wird.
Führung hat mit Einfluss und Wirkung auf Andere zu tun. Das Ergebnis der Organisation bzw. des Teams ist das Abbild dessen, der sie bzw. es führt. Gern wird bei schlechten Leistungen auf dem Team herumgedroschen und Mitglieder ausgewechselt. Meist wären diese Wechsel bei besserer Führung gar nicht nötig. Vielmehr sollte der Führende überlegen, was er wie tun muss, womit er die entscheidende Wirkung auf das Team und dessen Mitglieder erzielt, so dass sie genau das tun, was er eigentlich von Ihnen erwartet.
Dazu wäre es ausgesprochen hilfreich, wenn der Manager auch eine Vision hat, wohin die Reise gehen soll. Eine gut formulierte Vision kann Organisationen und deren Mitglieder beflügeln. Mit einer klar strukturierten Strategie, die allen transparent dargestellt wird, wird der Weg vom Hier und Jetzt bis zum Erreichen der Vision beschrieben. Dies allein ist jedoch noch nicht ausreichend.
Die Strategie muss auf jeden Bereich, ja u.U. sogar auf jeden Mitarbeiter herunter gebrochen werden, damit jeder weiß, was er bis wann zu tun hat, damit das gesamte Team das gesteckte Ziel erreicht. Damit ist jeder an der Gesamtzielerreichung beteiligt. Auf jeden kommt es an. Mit einem ausgeklügelten Operationsplan hat die Strategie eine hohe Chance zum Erfolg zu führen, vorausgesetzt, dieser wird durch die Führung ständig nachgehalten und verfolgt.
Gerade in diesem Prozeß hakt es bei vielen Firmen. Entweder fehlt die Vision oder für die Strategieentwicklung die notwendigen Kenntnisse über Märkte, Bedürfnisse der Kunden, Mitbewerber, wo das Unternehmen selbst steht sowie dessen Fähigkeiten (finanziell, technisch etc.), Innovationskraft oder es mangelt schlicht an Kreativität.
Nicht selten werden hoch bezahlte Beratungsunternehmen mit der Strategieentwicklung beauftragt. Mit einer Hochglanzpräsentation ist es aber nicht getan. Das Herunterbrechen auf die Teilbereiche unterbleibt dann oft. Wie kann solch eine Strategie erfolgreich sein, wenn keiner weiß, welche wesentliche Leistung er erbringen muss, damit das Gesamtziel erreicht wird? Dabei gibt es wunderbare Tools, wie die Hoshin X-Matrix, die diese Schritte unterstützen und transparent machen können.
Noch seltener wird jedoch in regelmäßigen Abständen – am besten monatlich – anhand konkreter Ergebnisse, Milestones, Gates oder einfach nur KPIs überprüft, wo man steht. Sind wir auf dem richtigen Weg? Erreichen wir, was wir uns für den jeweiligen Zeitpunkt vorgenommen haben? Reichen die eingesetzten Ressourcen? Greifen die gewählten Maßnahmen? ... usw. Nur wenn man ständig hart am Ball bleibt, wird man eine Chance haben, das Ziel auch sicher zu erreichen. Abweichungen dürfen niemals „erklärt“ werden, sondern es muss stattdessen erarbeitet werden, wie verlorenes Terrain wieder aufgeholt wird.
Der Führungsvorgang
Der Führungsvorgang besteht aus 4 Stufen: Feststellen der Rahmenbedingungen, Planung, Durchführung und Kontrolle. Er ist ein in sich geschlossener Denk- und Handlungsablauf, der durch eine Zielvorgabe oder einen Auftrag ausgelöst wurde. Der Führende muss zu Beginn sehr transparent seine klare Absicht kundgetan haben. Innere und äußere Rahmenbedingungen sind geklärt. Jedem Einzelnen wird erklärt, welche wesentliche Leistung von ihm erwartet wird. Wie er diese ausführt, bleibt jedoch in seiner Verantwortung. Er wird mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet.
Die Pflicht zur Kontrolle ergibt sich aus der Verantwortung des Führenden. Nur so kann er wissen, ob die Ziele erreicht wurden und entsprechend mit Lob die Motivation fördern, oder aber korrigierend Nachbesserung einfordern muss. Die Handlungsfreiheit der Mitarbeiter muss immer erhalten bleiben. Es ist zwischen Vorausplanen und Vorausdisponieren klar zu trennen. Eine Zielvorgabe sollte möglichst immer eine Wegvorgabe sein. Eine Orientierung am Prinzip des Führungsvorgangs ist die Grundlage des aktiven Handelns.
Die Praxis zeigt jedoch, dass der Führungsvorgang entweder nicht bekannt ist, oder fehlerhaft angewendet wird. Oft sind die Rahmenbedingungen nicht klar, die eigene Absicht für die Mitarbeiter nicht transparent oder die Verantwortlichkeiten bzw. Befugnisse nicht geklärt oder die notwendigen Mittel nicht ausreichend bereitgestellt. Nicht selten findet man Vorgesetzte, die gern delegieren, dabei aber weder die eigene Absicht klar formuliert haben noch am Ende kontrollieren, was überhaupt erreicht wurde. Damit werden sie ihrer Aufgabe als Vorgesetze nicht im Mindesten gerecht. Das Ergebnis all der Fehler, sind oft ineffiziente Prozesse, Ressourcenverschwendung und im günstigsten Fall mäßiger kommerzieller Erfolg.
Proaktive Führungskultur führt hingegen zu einer schlanken und schlagkräftigen Organisation mit einer hohen Qualitätskultur mit einem ausgeprägten Drang zur kontinuierlichen Verbesserung.
Hat also ein Kapitän sein Schiff selbst bei normalem Wetter kaum unter Kontrolle, was kann man von ihm dann im Sturm erwarten? Bestenfalls schafft er die Krise abzuwettern. Jedoch wird er kein Rennen gewinnen. In der Führung erfahrene und sturmerprobte Vorgesetzte sehen in der schweren Zeit weniger eine Bedrohung als eine einmalige Chance, die Position des Unternehmens im Rennen deutlich zu verbessern.
Die hier kurz beschriebenen Führungsgrundsätze gelten allgemein und sind unabhängig vom Führungsstil zu sehen. Oftmals aber führen übertriebene Führungsstile in Zusammenhang mit der Nichtbeachtung der wesentlichen Elemente des Führungsvorganges zu erheblichen Führungsfehlern, Führungsbrüchen oder gar Führungsausfall.
Obwohl in Krisenzeiten Führungsfähigkeit ganz besonders wichtig ist, haben aufgrund der sich schnell und kurzfristig verändernden Bedingungen gerade die Feuerwehrmanager ihren großen Auftritt. Aktionismus verdrängt dann oft strategisches Denken, führt ev. zu kurzfristig akzeptablen Ergebnissen, jedoch selten zu wirklich nachhaltigen Verbesserungen.
In solchen Zeiten bedarf es Manager mit ausgeprägter Ambiguitätstoleranz und einer inneren Stabilität. Auch wenn Vieles nur bedingt vorhersagbar ist, sich ständig ändert, sehr komplex und vage ist, müssen sie, basierend auf ihrem Methoden- und Erfahrungsschatz in der Lage sein, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Sie dürfen auch nicht vor unangenehmen Situationen oder Entscheidungen zurückschrecken. Dabei ist es von ausschlaggebender Bedeutung, dass sie eine enge und vertrauensvolle Beziehung mit der Organisation und ihren Mitgliedern haben.
Über den Autor:
Dr. Reinhard Schiebeler studierte Maschinenbau und Betriebswirtschaft und absolvierte ein eMBA-Programm an der INSEAD. Er war über 25 Jahre in internationalen Unternehmen u.a. in CEO, COO, Präsident oder Chairman-Funktionen beschäftigt. Seit 2 Jahren arbeitet er als selbständiger Unternehmensberater und Interim-Manager. Dabei kümmert er sich insbesondere um Mandate in komplexen Situationen. Derzeit unterstützt er ein bekanntes Industrieunternehmen als Interim-COO. Er beschäftigt sich seit seiner Offiziersausbildung intensiv mit dem Thema Führung auch unter kulturellen Aspekten und konnte viele Erfahrungen auch während seinen Verwendungen im Ausland in USA, Russland, Schweiz, Philippinen, UK, Norwegen, Costa Rica, Finnland etc. sammeln.
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